BT vom 4. Mai 2009

Bluegrass satt in Bühl: Fans bringen Instrumente mit und spielen auf öffentlichen Plätzen / Kritik an Ticketgestaltung

Festival mit spontanen Überraschungen

Auf dem Johannesplatz ist fast kein Durchkommen: Die Openair-Auftritte locken massenhaft Zuhörer an. (Foto: J. Eiermann) Auf dem Johannesplatz ist fast kein Durchkommen: Die Openair-Auftritte locken massenhaft Zuhörer an. (Foto: J. Eiermann) Von Joachim Eiermann

Bühl - Dicht gedrängt standen kurz vor Mitternacht noch einmal alle Künstler des Samstagprogramms auf der Bühne des Bürgerhauses, um zur Krönung des Abends gemeinsam drei Zugaben zu geben. Als auch der letzte Ton verhallt war und die Zuhörer aus dem Saal strömten, stand ein ganz beglückter Walter Fuchs am Rand. "Ich bin rundum zufrieden", lautete sein Fazit. Das Konzept, das 7. Bühler Bluegrass-Festival auf zwei Tage auszudehnen, sei voll aufgegangen. Und mehr denn je hatte es - über das Fachpublikum hinaus - auch bei den Bühlern Resonanz gefunden.

Als vorab Laurie Lewis, "Grand Lady" dieses Genres, mit ihrer Gruppe zur besten Einkaufszeit auf dem Johannesplatz ein halbstündiges Kurzkonzert gab, applaudierten Hunderte. Passanten, die nicht stehen bleiben und der Kalifornierin zuhören wollten, mussten sich durch eine schmale Gasse den Weg bahnen. Kulturfachbereichsleiter Wolfgang Jokerst wertete dies als Indiz dafür: "Das Festival ist jetzt auch so richtig in der Stadt angekommen." Katarina Mitteregger von der österreichischen Band Nugget, die bereits um 10.30 Uhr den Openair-Auftakt besorgte, war über die Resonanz ganz baff: "Ich bin sehr überrascht, was um diese Zeit schon geht."

Es ging noch einiges mehr in Bühl: Eine Reihe schweizerischer und deutscher Musiker um Robert Brunner (Sunnymountain Brass Band) und Alfred Wittmer (Nightrun), um nur zwei Namen zu nennen, spielten spontane Sessions im Stadtgarten, auf dem Europaplatz und im Bürgerhaus-Foyer. Sie waren nur als Besucher angereist, wollten sich aber nicht mit der Rolle von Edelfans begnügen. Bei ihren ungeplanten Auftritten bildeten sich ebenfalls sofort Menschentrauben. Das sonnige Frühlingswetter trug seinen Teil dazu bei, die Leute ins Freie und zur Musik zu locken. Die Schweizer waren aber auch gekommen, um etwas Eigenwerbung für die Festivals im eigenen Land - wie das von Willisau am kommenden Samstag - zu betreiben.

Ob tiefste französische Provinz, Holland, Belgien oder Österreich: Eingefleischte Bluegrass-Fans nehmen weite Wege auf sich. Rund 1200 Besucher erlebten die Konzerte am Freitag (500) und Samstag (700). Den Traum vom ausverkauften Bürgerhaus muss Walter Fuchs allerdings weiterhin träumen, denn gegenüber dem Vorjahr fiel die Resonanz am Samstagabend schwächer aus. Lag es am verlängerten 1.-Mai-Wochenende oder daran, dass in diesem Jahr erstmals keine separaten Samstagabend-Konzerttickets erhältlich waren? Einige Besucher monierten, dass sie stattdessen teurere Ganz tagestickets (Programmbeginn bereits um 14 Uhr) kaufen mussten. Die Organisatoren wollen darauf reagieren. Jokerst kündigte an, dass es künftig wieder regulär ein Samstagabendticket geben werde.

Auch mit dem Ausflugstreiben am 1.Mai wird das nächstjährige Festival nicht mehr kollidieren, ist es doch auf 14. und 15. Mai 2010 terminiert. Gelohnt habe es sich auf jeden Fall, die Veranstaltung um einen Tag auszudehnen, resümiert der Kulturfachbereichsleiter: "Ich bin mehr als zufrieden." Hinzugewonnen hat das Ereignis damit auch inhaltlich. Die junge Bostoner Band Crooked Still, die am Freitag den Bluegrass zum Rocken brachte, war ohne Zweifel die große Überraschung des Festivals. Deren CDs wurden Klaus Grotelüschen und seiner Mitarbeiterin Christine Bichelmaier regelrecht aus den Händen gerissen. Für die Oldenburger ist das Bühler Festival das "Highlight in Sachen Bluegrass". Grotelüschen veranstaltet selbst Konzerte und bietet im Bürgerhaus-Foyer alljährlich ein Spezialsortiment mit Import-CDs, DVDs und LPs an, das Bluegrass-Fans das Herz aufgehen lässt.

"Bleiben Sie gesund! Bleiben Sie fröhlich!", gab Walter Fuchs 24 Stunden später dem Publikum zum Abschied mit auf den Heimweg. Was Glückshormone bewirken können, dafür war der umtriebige Pensionär das beste Beispiel. Obwohl er in der Nacht zwischen beiden Festivaltagen fast kein Auge zugetan hatte, blieb er dennoch bis zum Schluss hellwach.